Lifestyle

Es ist die Summe all dessen, was den außergewöhnlichen und individuellen Lebensstil einer bemerkenswerten Persönlichkeit ausmacht.

Botox

Hoffnung mit Nebenwirkungen

Das ist ja chic. Botox verwandelt den ein oder anderen Mund in einen vermeintlich ultimativen Kussmund. Ich kann jetzt mitreden. Zumindest, was die Nebenwirkungen angeht.
Die Liste ist lang. Beschäftigt habe ich mich mit den unangenehmen Auswirkungen einer Botox Behandlung allerdings erst, als ich das Gefühl hatte, irgendwie läuft da was aus dem Ruder.

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Um ein süßes Duckface ging es mir nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Spitzfuß. Wobei dieser nicht die Folge eines Versuchs stilvoll zu gehen ist. Bei mir ist diese Fehlstellung des Fußes ein Nachspiel meiner unfallbedingten spastischen Lähmung. Hier sind die Muskeln ständig angespannt. Dummerweise völlig unkoordiniert, so dass die Zehen nach unten zeigen und der Fuß nicht flach auf den Boden kommt. Dies kann zu einer Deformation des Fußgelenks führen, was wiederum Probleme beim Gehen hervorrufen kann. Eine ziemlich schmerzhafte Angelegenheit.

Wie Brandbeschleuniger wirkte sich ein zweiter schwerer Unfall, aufgrund dessen ich wegen einiger Operationen mehrere Wochen ans Bett gefesselt war, auf die Fehlstellung meines Fußes aus.

Um der Fehlstellung entgegen zu wirken und sie einigermaßen erträglicher zu machen gibt es verschiedene Möglichkeiten. Als da wären Physiotherapie, die verschiedensten Medikamente, oder Orthesen um das Gelenk zu stabilisieren und eben Botox Injektionen. Die Mittel meiner Wahl sind Physiotherapie, drei Mal pro Woche, eine ständig zu tragende Orthese und alle drei Monate drei Botox Spritzen. Meine ganze Hoffnung ein halbwegs belastbares Fußgelenk zu erhalten ruhten auf der Botox Behandlung.

Einsatz von Botox bei spastischer Lähmung

Auf Botox, dem stärksten Nervengift der Welt. Ich wollte damit nicht nur mal ein paar Fältchen glätten. Ich wollte eine nachhaltige Verbesserung meiner Mobilität. Denn eine spastische Lähmung ist nicht heilbar. Es ist eine Schädigung des zentralen Nervensystems. Eine Behandlung soll vor allem Beschwerden lindern, Folgeschäden reduzieren und die Bewegungsfähigkeit bestmöglich erhalten.

Ein dreiviertel Jahr nach meinem Unfall, hatte ich die erste Vorbesprechung für eine Botox Behandlung. Bis dahin war ich bezüglich meiner Rehabilitation auf noch keinen grünen Zweig gekommen, ganz im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, mit meiner Beweglichkeit ging es eher noch bergab. So griff ich gerne den Tipp meines Orthopäden auf, der mir vom erfolgreichen Einsatz von Botox bei spastischer Lähmung berichtete.

Zunächst habe ich mich bei Dr. Martin Bauersachs, meinem Neurologen, nach einer entsprechenden Behandlung für mich erkundigt. Er befürwortete Botox für mich, da mein Fußgelenk zwar eine Fehlstellung aufweist, doch frei beweglich ist. Für die Behandlung hat er mich dann an die neurologische Ambulanz der Städtischen Kliniken Dortmund, Beurhausstraße, überwiesen. Dort setzte man mich erst mal auf eine gut dreimonatige Warteliste.

Es geht nur mit Geduld

Bis zu meinem ersten Gespräch steigerte sich meine Hoffnung in die Wirkung von Botox nochmal ganz erheblich. Ich sah mich schon ohne Schiene ein paar Schritte machen.

Das Ganze wurde bei meinem ersten Besuch noch beflügelt. Zunächst nahm mich Eva Heiß, eine sympathische und kompetente Ärztin, in der Sprechstunde für Botulinumtoxin in Augenschein. Die betroffenen Muskeln wurden identifiziert. Die Dosis wurde festgelegt. Sie wird in Einheiten bemessen, nicht wie allgemein üblich in Milligramm. Ist Botulinumtoxin doch für den Menschen das mit Abstand tödlichste bekannte Gift. Schon ein zehn Millionstel Gramm wirkt tödlich. So könnte die Menge eines Salzkorns eine Stadt der Größe Nürnbergs vernichten.

In der Neurologie hingegen wird Botulinumtoxin seit Anfang der 1980er-Jahre als zugelassenes Arzneimittel in der Behandlung von Bewegungsstörungen eingesetzt. Unter anderem gegen Muskelspastiken. In den Muskel gespritzt wird die Signalübertragung von Nerven auf den Muskel blockiert. Es kommt zu einer vorübergehenden sogenannten Denervierung. Die bis dahin hyperaktiven Muskeln werden geschwächt und ziehen den Fuß nicht weiter in die Fehlstellung, so der Plan.

Aber ich musste noch einmal vier Wochen warten, dann ging es endlich los. Ich bekam meine erste Spritze. 400 Einheiten aufgeteilt auf drei Spritzen. Zwei davon bekam ich in die Wadenmuskulatur, eine in den Muskel direkt am Fußgelenk. Doch trotz der enormen Giftigkeit schwächt Botox die Muskeln nicht sofort. Die Wirkung entfaltet sich erst nach drei bis zehn Tagen und hält drei bis sechs Monate an. Danach werden die quasi ruhig gestellten Muskeln wieder aktiv.

Botox verleiht der Fantasie Flügel

Als ich die drei Spritzen bekommen und das Sprechzimmer verlassen hatte, zählte ich jede Minute. Das Ganze hatte etwas von einem Count-down. Ich schaute ständig auf meine Füße, ob die Wirkung nicht eventuell schon eingesetzt hätte. Doch von Entspannung meiner Muskeln noch keine Spur. Dafür verliehen die Spritzen meiner Fantasie Flügel. In Gedanken nahm ich schon meine Schiene ab und freute mich darauf, endlich wieder chicke Schuhe anziehen zu können. Keine High Heels, aber wenigstens schöne Sneakers.

Die Wirkung war dann doch ganz anders als ich es mir vorgestellt habe. Hatte ich gedacht, mit jeder Spritze wird das Fußgelenk ein wenig grader, bis der Fuß schwuppdiwupp wieder perfekt auf dem Boden steht. Die Muskeln am besten gleich so konditioniert, dass der Fuß gar nicht mehr wegknickt. Doch bis dahin ist es ein langer Weg. Mir wurde klar, dass die Realität weit von meinen Hoffnungen entfernt war. Ein Fußgelenk ohne Fehlstellung, das nicht wegknickt ist in meinem Fall ziemlich utopisch und mit Botox nicht erreichbar.

Aber vielleicht ist es sogar erreichbar, doch auf dem langen Weg dorthin verlor ich meine Zuversicht.

Bei mir begann der lange Weg mit 400 Einheiten. Die Dosierung ist zwischen 400 und 1.200 Einheiten variabel. Zunächst bekam ich die geringste Dosis. Es lässt sich ja alles noch steigern und so kann man beobachten, wie mein Fuß und ich auf das Botox reagieren.

Der Fuß wurde infolge der Spritzen zwar locker, was ja auch schon ein Erfolg ist, zeigte sich ansonsten aber ziemlich unbeeindruckt. Naja, es handelte sich um eine ziemlich geringe Dosis. Beim nächsten Mal wurden bereits 500 Einheiten gespritzt, dann 800 und danach 1.000. Anderthalb Jahre und neun, bzw. 27 Spritzen weiter trat Ernüchterung bei mir ein.

Die lange Liste der Nebenwirkungen

Ich wusste, dass die Injektionen einen hohen Kenntnisstand beim Anwenden verlangen und dass trotzdem Nebenwirkungen auftreten können. Letzteres schob ich gedanklich erst einmal beiseite. Zumal ich keine Schmerzen oder Schwellungen an den Injektionsstellen hatte, auch keine Kopfschmerzen oder Müdigkeit. Schwindel, Übelkeit, allergische Reaktionen wie Hautausschlag oder Juckreiz hatte ich zum Glück ebenso wenig wie Muskel – oder Gelenkschmerzen oder gar Probleme mit der mit der Blase.  Und so habe ich auf die Fragen meiner Ärztin und meines Neurologen nach den Auswirkungen der Botox Spritzen lediglich in Bezug auf meinen Fuß geantwortet, dass alles bestens sei. Der Fuß wurde schließlich merklich lockerer.

Trotzdem, ich musste immer häufiger daran denken, dass die Ausbreitung von Botulinumtoxin von der Stelle der lokalen Anwendung in andere Bereiche des Körpers, insbesondere im Nervensystem nachgewiesen ist und ihr Störungen und Schädigungen zugeordnet werden, wenn die Folgen auch noch nicht ausgiebig erforscht sind.

Dann traten Schwierigkeiten bei mir auf. Fast zeitgleich hatte ich mir allerdings kurz nach einer der Behandlungen den Kopf ganz ordentlich gestoßen. So nahm ich an, dass die Schwierigkeiten, die ich hatte, hierher rührten. Doch als auch ein paar Tage nach einer weiteren Behandlung, es waren wieder 1.000 Einheiten, die gleichen Beschwerden erneut auftraten kamen mir Zweifel. Könnten sie vielleicht doch von den Botox Spritzen herrühren? 

Die Liste meiner Nebenwirkungen

Eine berechtigte Frage. Seit meinem ersten Unfall sehe ich Doppelbilder. Daran habe ich mich im Laufe der Jahre gewöhnt, so dass sie kein weiteres Problem darstellen. Nach den letzten Botox Injektionen hatten meine Doppelbilder jedoch deutlich zugenommen, oder besser ich hatte das Gefühl, ich müsste meine Augen beim Sehen scharf stellen. Selbst das Luftholen ging nicht so leicht wie üblich. Was besonders dumm ist, wenn man einen Vortrag halten muss und an allen möglichen und unmöglichen Stellen nach Luft schnappt, wie ein Karpfen auf dem Trockenem. Außerdem blieb mir im wahrsten Sinne des Wortes die Spucke weg. Mein Zahnarzt konnte sich freuen. Ständig hatte ich irgendwelche Bonbons im Mund, die meinen Speichelfluss anregen sollten. Mein Mund war so trocken, wie ein Sandsturm in der Wüste.

Meine anfängliche Begeisterung wurde ziemlich ausgebremst. Außerdem fühlte ich mich wie eine Schlenker-Puppe. Ich war völlig instabil. Und mit der allgemeinen Muskelschwäche ging auch noch eine allgemeine Lustlosigkeit einher. Wird jede Bewegung zur Strapaze verliert man halt schnell mal die Lust.

Wie geht es weiter?

Allmählich ging dann alles wieder in seinen gewohnten Zustand über. Bis zur nächsten Botox Injektion.

Doch vorher schilderte ich meine Beobachtungen meinem Arzt und meiner behandelnden Ärztin. Sollten wir es beim nächsten Mal vielleicht doch mit einer geringeren Dosis probieren? Oder gar ganz aufhören? Die Schwäche im Bein und gegebenenfalls auch die Sehstörungen können natürlich dosisabhängig auftreten, waren sich meine Ärzte einig. Aber die allgemeine Muskelschwäche sei höchst ungewöhnlich und in dieser ausgeprägten Form auch noch nicht vorgekommen. Das half mir auch nicht weiter. Bei mir machte sich zunehmend Widerwillen bemerkbar. Ich entschloss mich, die Dosis zu verringern Ich versuchte es nochmal, allerdings mit nur 500 Einheiten.

Dass mein linker Fuß jetzt wesentlich besser auf dem Boden stand quittierte ich als selbstverständlich, jede Schluckstörung hingegen schrieb ich den Botox Injektionen zu. Mir schien es, als könne ich die Auswirkungen nicht mehr objektiv beurteilen. Meine anfängliche Euphorie entwickelte sich geradezu zu einer Aversion. Was kaum verwunderlich ist. Wird jede Bewegung zur Anstrengung gerät die positive Sicht der Dinge schnell mal aus den Augen.

Ich weiß um das filigrane Zusammenspiel meiner Spastik. Seit Jahrzehnten lebe ich nunmehr damit. Genau wie mit meinen Doppelbildern. Ich habe mich damit eingerichtet.

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Doch, wird auch nur der kleinste Baustein im Körper verändert, wirkt sich das sofort auf den ganzen Bewegungsapparat aus. Lange Jahre konnte ich mehr oder weniger gut damit leben. Ich hatte mich arrangiert. Mit mir, meinem Körper und meiner Spastik. Erst nach dem letzten Unfall geriet alles außer Kontrolle. Ich bekam es nicht mehr ins Gleichgewicht. Und die Fehlstellung des linken Fußes brachte quasi das Fass meiner Geduld zum Überlaufen. So wollte ich um der Hoffnung willen, den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.

Jetzt, ein halbes Jahr nach meiner letzten Injektion sitze ich hier mit einiger Botox Erfahrung. Ich kann festhalten, dass Botox an sich gerade auch bei der Fehlstellung des Fußes sicherlich eine gute Sache ist. Bei einer schweren Spastik, wie ich sie nun mal habe, sollte man die Nebenwirkungen, als Auswirkung auf den gesamten fragilen Bewegungsapparat, nicht unterschätzen. Denn was nützt es, wenn der linke Fuß endlich mal wieder locker auf dem Boden steht, der rechte dafür aber ganz locker wegknickt.  

Und nicht zu vergessen, es bleibt ja immer noch die Hoffnung ohne Nebenwirkungen…

Corona sei Dank

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde weder das Tragen von Masken besonders prickelnd, noch das ständige Desinfizieren der Hände. Die übrigens Tillys Spülhände schon alle Ehre machen. Das Augenmerk liegt vielmehr auf Social Distance. Die soziale Distanz in Zeiten von Corona macht es möglich. So ist ein Mindestabstand von 1,50 Meter einzuhalten.

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Seit Corona fühlt sich jeder willkommen

Endlich habe ich Platz. Ich kann einen Tisch, den ich mir ausgesucht habe, ansteuern, er muss noch nicht einmal in der ersten Reihe stehen, kann ein wenig rangieren und schwuppdiwupp habe ich am Tisch eingeparkt. Vor Corona war die Auswahl der Plätze dagegen aufgrund der Enge der Tische für Rollstuhlfahrerinnen zumeist ziemlich eingeschränkt. Und nicht immer ist das Personal so aufmerksam wie im Aachener Bistro Leni liebt Kaffee. Hier helfen sie, die Stühle zu verschieben, die Tische zu rücken bis alles perfekt ist und man mit dem Rollstuhl bestens daran Platz nehmen kann.

Isabella – Glutenfreie Pâtisserie in Aachen

Es ist schon verständlich, wenn nicht alle Gastronomen geneigt sind, das Mobiliar mit Enthusiasmus zu verschieben, sobald ein Rollstuhlfahrer auftaucht. Bedeutet ein einzelner Rollstuhl im Lokal in der Regel lediglich Umstände, so stelle man sich zwei oder gar drei Rollstuhlfahrer in einer überschaubaren Lokalität vor. Da würden sich mir als Gastwirtin die Haare zu Berge stellen. Denn der Mindestabstand von 1,50 Meter schnellt auf 1,80 Meter mal 1,80 Meter benötigter Fläche in die Höhe, wenn sich zwei Rollstuhlfahrer begegnen.

Ich gehe übrigens mal ganz wertneutral davon aus, dass der Anblick von Menschen im Rollstuhl heutzutage nicht mehr als Beleidigung des Auges gesehen wird. Trotzdem, die Nutzung der Räumlichkeiten würde enorm eingeschränkt, nehme man die 1,80 Meter als Regelfall. Zum Glück sind Rollstuhlfahrerinnen noch nicht die Regel. Und so muss ich mich auch nicht in die Ecke abschieben lassen, oder derartig flott aus dem Weg räumen lassen, als sei es ein Trick von Siegfried und Roy. Wenn ich mir das bei meinem nächsten Cafébesuch vor Augen halte, werde ich bestimmt auch etwas nachsichtiger, falls man mir nicht gleich beim Reinkommen mit Überschwang begegnet.

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Übrigens, ich liebe den Sommer. Denn draußen auf den Terrasssen, meistens mit ebenerdigen Zugang, fällt ein Rollstuhl mehr oder weniger nicht auf…